Panzerschichtung
Durch konsequentes Aufdecken von Widerständen, wie sie in der Psychoanalyse auftauchen, gelangte Wilhelm Reich zur Annahme einer „Panzerschichtung“. Er versteht darunter ein geordnetes, historisches und strukturelles Gewebe.
„Es geht nicht allein darum, eine Schicht von Ich-Abwehr zu durchbrechen, um Unbewusstes ins Bewusstsein gelangen zu lassen; der Charakterpanzer muss vielmehr so verstanden werden, dass hier Triebwünsche und Ich-Abwehr-Funktion ineinander verwoben die gesamte seelische Struktur durchsetzen“ (Wilhelm Reich - Die Funktion des Orgasmus 1977, S.113).
Reich begreift somit die Charakterstruktur als erstarrte Lebensgeschichte. „Die gesamte Erlebniswelt der Vergangenheit lebt in der Form der charakterlichen Haltung in der Gegenwart. Das Wesen eines Menschen ist die funktionelle Summe aller vergangenen Erlebnisse" (Reich 1977, ebd.). Jeder frühkindliche Konflikt lässt sich im Jetzt auffinden, in der Spur, in der er erhalten blieb, und die als Charakterverhärtung deutlich wird.
Schematisch vereinfacht ist die Persönlichkeit in drei „Schichten“ darstellbar:
Äußere Schicht
Oberfläche, Fassade der sozial erwünschten Seiten. Sie präsentiert sich oftmals in übermäßiger Höflichkeit.
Mittlere Schicht
Sozial unerwünschte, reaktive Haltungen, so genannte negative Emotionen. Reich zufolge sind sie jedoch kein Hinweis auf die biologische Verankerung der Destruktivität, sondern Ausdruck der „Wut über die Versagung im Leben und den Mangel an sexueller Befriedigung"; sie stehen somit im Dienste des Lebenstriebes.
Der Kern
Die primären Bedürfnisse. „In der Tiefe des neurotischen Mechanismus, hinter all den gefährlichen, grotesken, vernunftlosen Phantasien und Impulsen fand ich ein Stück einfacher, selbstverständlicher, anständiger Natur" (Reich 1977, S.133).
Für Reich gilt es innerhalb der Therapie, diesen Teil der Persönlichkeit - den „Kern“ zu befreien…. Reich stellt der moralischen Regulierung die ökonomische Selbststeuerung gegenüber: Die Natur steht zwar im Gegensatz zur moralischen Regulierung, die Pflichterfüllung und Triebverzicht fordert, nicht aber zur ökonomischen Selbststeuerung des Menschen, die eine andere Art von Moral hervorruft. Eine Moral, die nicht gelenkt wird von Aufforderungen wie „Du sollst" oder „Du mußt", sondern aus den spontanen Bedürfnissen des Organismus entsteht.
Quelle: Beatrix Teichmann-Wirth - Charakteranalytische Vegetotherapie, Skan Reader 5/96, S.30 ff.